• 06.10.2025
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Von der manuellen Dosierung bis zur smarten Fabrik – Automatisierung auf der POWTECH TECHNOPHARM 2025

Automatisierung macht Produktionsbetriebe wettbewerbsfähig, rückverfolgbar und effizient. Auf der POWTECH TECHNOPHARM 2025 zeigten Aussteller wie ESA, OAS und Eirich, wie Unternehmen Schritt für Schritt den Weg zur Smart Factory gehen können – von der Basisautomatisierung über MES-Systeme bis hin zu KI-gestützter Prozessoptimierung.

Geschrieben von Dr. Ulla Reutner

Eine Frau in einer neongelb-grauen Arbeitsjacke mit Helm bedient einen Computer mit zwei Bildschirmen, auf denen technische Anlagen schematisch abgebildet sind.
Produktionsleiter, Bediener und Instandhalter profitieren von bedienerfreundlichen Systemen, mit denen der Übergang zur digitalen Produktion gelingt.

Stahl, Glas, Keramik, Kunststoff. Große Maschinen, kleine Geräte. Und immer wieder Kügelchen in vielen bunten Farben, die sich durch transparente Rohre drücken, aufgewirbelt, geschüttelt und gerührt werden. Die Besucher der POWTECH TECHNOPHARM im September 2025 erwartete jede Menge handfeste Prozesstechnik zum Anfassen. Verfahrenstechnik vom Feinsten. Zur innovativen Lösung für die unterschiedlichsten Branchen wird sie durch Steuerungs- und Automatisierungssysteme, durch datengetriebene Prozessoptimierung und Künstliche Intelligenz. Etliche Aussteller bieten derartige Systeme integriert in die angebotene Anlagentechnik.

Doch auch Spezialisten für Automatisierungslösungen präsentierten auf der POWTECH TECHNOPHARM ihr Angebot. Einige wie etwa ESA zielen neben den Großbetrieben auch auf den breiten Mittelstand der Schüttgut verarbeitenden Industrien ab. Der hat in Sachen Automatisierung oft noch Nachholbedarf. Dazu gehören etwa Bäckereien, deren Backstuben sich mehr und mehr zu zentralen Produktionsstätten für ein Filialnetz entwickeln, und Hersteller von Gewürzmischungen, deren Betrieb über Jahrzehnte gewachsen ist. ESA ermöglicht es den Verfahrenstechnologen in derartigen Unternehmen, wettbewerbsfähig zu produzieren und dabei die Rückverfolgbarkeit zu gewährleisten.

Eine Frau im Dirndl steht an mehreren offenen Edelstahlschüsseln mit Gewürzen und nimmt gerade mit einer Edelstahlschaufel etwas davon heraus. Neben ihr befinden sich weitere Schüsseln, eine Waage, ein Display und kleine Trichter.
Digitalisierung zum Anfassen: Sophie Voithofer von ESA zeigt POWTECH-TECHNOPHARM-Besuchern an der interaktiven Gewürzdosierstation, dass Automatisierung bei der Einbindung der manuellen Dosierung ins Prozessleitsystem beginnt.

Von der manuellen Dosierung bis zur vollautomatischen Abfüllung

Am Beispiel der Gewürzproduktion konnte dies jeder Messebesucher ganz real ausprobieren. Nach Auswahl eines Rezepts, etwa „Spicy de Mare“, wurde man über die ESA-Software am Touch-Monitor durch den Prozess geführt. Nach der Barcode-unterstützten Behälter- und Produktidentifikation dosierte man die Bestandteile der gewählten Mischung manuell. Nach der Abfüllung der Mischung in einer Geschenkdose wurde diese mit einem individuellen Etikett mit dem frei gewählten Auftragsnamen versehen. Das Dosierprotokoll ging wenig später beim Messebesucher per E-Mail ein.

Die Handdosierung ist lediglich eines von vielen Modulen im Prozessleitsystem ESAweight. Es baut auf dem ESAweight Manager auf, in dem Linien, Stationen, Waagen, Lager etc. individuell konfiguriert werden können. Module decken die komplette Produktion ab: von der Anlieferung über die Automatikdosierung mit Hilfe von standardisierten SPS-Programmen und der Steuerung von Misch- und Pressprozessen bis hin zur halb- oder vollautomatischen Abfüllung inklusive Etikettierung und Palettierung. Das Prozessleitsystem ist speziell für Produktionsbetriebe konzipiert, in denen Schüttgut, zähflüssige und flüssige Stoffe verarbeitet werden. Es eignet sich für Neuanlagen ebenso wie für Modernisierungen und Erweiterungen.

Grafische Darstellung des Prozessleitsystems mit dem Basismodul in der Mitte. Darum sind Icons von acht Modulen angeordnet mit der Beschriftung: Anlieferung, Umlagerung, Automatikdosierung, Handdosierung, Mischtechnik, Absackmodul, Lagerverwaltung, Auslieferung.
Rund um den ESAweight Manager gruppieren sich diverse Module des Prozessleitsystems.
Ein Anlagenfahrer in Schutzkleidung und Helm sitzt in einem Leitstand mit sechs großen Monitoren. Sie zeigen Prozessvisualisierung, Diagramme und Produktionsdaten. Im Hintergrund sind verschwommen Anlagen hinter Glaswänden zu erkennen.
Produktionsleitsysteme sind wichtige Werkzeuge auf dem Weg zur Smart Factory. Sie filtern und verdichten große Datenmengen und versorgen die Bediener mit den jeweils benötigten Informationen.

Mit MES zur Smart Factory

Produktionslinien zu automatisieren und auch manuelle Arbeitsschritte zu steuern und zu dokumentieren sind erste Schritte zur digitalen Fabrik. Rund um diese zentralen Funktionen, die über Steuerungen und SPSen realisiert werden können, hat OAS ein umfassendes Angebot zur Produktionssteuerung gestrickt: pronto. Dieses übergreifende MES verbindet die Materialwirtschaft mit der Produktionstechnik. Mit ihm hat man etwa im Wareneingang Mindesthaltbarkeitsdaten und Trocknungsverluste unter Kontrolle. Es validiert Produktionsrezepte gegen die Stückliste und verwaltet Verfahrensparameter wie Mischzeiten. Die Auftragsdisposition kann über Auftragswarteschlagen, über eine manuelle Feinplanung oder über ein Advanced Planning System realisiert werden. 

Pronto baut den Link vom SCADA (Bedienen und Beobachten) zum MES (Manufacturing Execution System). Es vernetzt Maschinen und Produktionslinien und kann sogar Signale von Maschinen ohne Steuerung über “intelligente Klemmen” integrieren. Das skalierbare System lenkt sämtliche in der Produktion ausgeführten Prozesse. Es ermöglicht die lückenlose Dokumentation und somit auch die Chargenrückverfolgung. Zu guter Letzt bietet pronto durch die Berechnung der OEE (Overall Equipment Effectiveness) und ein Reporting-Portal zu KPIs, statistischer Prozesskontrolle etc. beste Möglichkeiten, Prozesse zu optimieren. So kann eine Smart Factory entstehen, die hoch produktiv arbeitet – energieeffizient und mit minimierten Rüstzeiten und Reinigungsaufwänden. Pronto wird bereits in zahlreichen Anwendungsgebieten wie der Bauchemie, Chemie, Farben und Nahrungs- und Genussmittelindustrie genutzt – alles wichtige Besuchergruppen auf der POWTECH TECHNOPHARM: So war der Anbieter OAS, der nicht nur Produktionssteuerungen, sondern auch Anlagen für Schüttgüter und flüssige Medien anbietet, genau an der richtigen Adresse.

Schüttgutprozesse auf der Untersuchungsliege

Eirich ist ein weiterer langjähriger Aussteller mit verfahrenstechnischer Kompetenz, der den Besuchern 2025 zeigt, wie der Weg in die digitale Zukunft gelingen kann. Der Experte für Misch- und Aufbereitungstechnologie verdeutlichte dies auf seinem Messestand humorvoll: mit einer Arztpraxis inklusive Untersuchungsliege unter dem Motto „Sprechstunde beim Prozess-Doktor“. Mit dem Joint Venture Prosio Vision hat der Maschinenbauer 2022 gemeinsam mit dem Start-up Prosio Engineering den Schritt auf das Feld der Anlagen- und Prozessoptimierung gemacht. Innerhalb der Eirich-Gruppe gilt es als das KI-Zentrum, das die Digitalisierung in der Schüttgutindustrie voranbringen will. 

Im „ärztlichen Beratungszimmer“ auf der POWTECH TECHNOPHARM wurde den Besuchern vor Augen geführt, dass Prozessprobleme, die zu übermäßigem Ausschuss oder ineffizienten Abläufen führen, als „Symptome“ betrachtet werden. Diese müssen und können behandelt werden – schließlich muss die Anlage „vital“ gehalten werden. Wie der echte Arzt benötigen die Verfahrensspezialisten dazu erst einmal Daten. Sie nutzen dabei Methoden zur Prozessbeobachtung. Dem folgt die „Diagnose“ auf Basis der Datenauswertung und Prozessanalyse. Daraus ergibt sich die „Behandlung“: konkrete Handlungsempfehlungen, etwa einer Prozessoptimierung oder einem Retrofit der Anlage – vergleichbar mit dem ärztlichen Rat zu „mehr Sport“ oder einer Diät. 

Eine Untersuchungsliege steht auf einem Messestand, daneben ein Waschbecken, davor steht ein Mann mit einem Analysegerät für Partikel. Diverse Bildschirme zeigen Partikel, eine Art Tacho und Dashboards.
Eine Arztpraxis mit Untersuchungsliege auf der POWTECH TECHNOPHARM: Beim Unternehmen Eirich und seinem Joint Venture Prosio Vision ging es um „gesunde Verfahrenslösungen“ – unter anderem durch den Einsatz von Vision-Control-Systemen.
Über einem Förderband in der Produktion befindet sich ein umhaustes Analysegerät, daneben ein Schrank mit Display, auf dem die Prozessdaten dargestellt werden.
Das Angebot des Eirich-Joint-Ventures Prosio Vision umfasst unter anderem den QualiMaster VC1 für die optische Granulatvermessung direkt auf dem Förderband.

Prozesse besser steuern und optimieren durch Vision Control

Ein „Untersuchungsinstrument“, das Prosio Vision ist der QualiMaster VC1, der Schüttgüter direkt auf dem Förderband überwacht. Dazu erfasst eine Spezialkamera permanent Bilddaten des Materials, die in Echtzeit mit Hilfe einer Deep-Learning-Lösung analysiert werden. So erhält man Realwerte zur Korngrößenverteilung, Sphärizität, Oberflächenstruktur, Farbeigenschaften etc., und das deutlich schneller als über Laborauswertungen. Anlagenparameter können so rasch korrigiert werden.

Das zweite Vision-Control-System von Prosio Vision, der QualiMaster VC2, eignet sich zur schnellen Trenderkennung. Er vergleicht und bewertet die aktuelle Konsistenz eines Produkts, zum Beispiel feindispers, krümelig oder pastös, mit Referenzbildern. Die Abweichungen vom Ideal können durch eine Ampel oder Tachofunktion visualisiert werden, etwa „Material ist zu trocken“ oder „zu feucht“. Die beiden Vision-Control-Systeme können kombiniert werden, etwa VC2 vor einem Trocknungsprozess zur schnellen qualitativen Aussage über die Materialbeschaffenheit und VC1 am Prozessende zur Ermittlung exakter Messdaten. Ihr Einsatz erlaubt unter anderem ein früheres Eingreifen des Anlagenfahrers in den laufenden Prozess sowie eine Prozessoptimierung. 

Fazit: Zukunftsfabriken entstehen auf der POWTECH TECHNOPHARM

Egal, ob Besucher auf der POWTECH TECHNOPHARM auf der Suche nach nachhaltigen Automatisierungslösungen, Möglichkeiten zur besseren Prozesssteuerung oder verfahrenstechnisch erfahrenen Partnern für die Digitalisierung ihrer Produktion waren – sie wurden fündig. Wie die drei genannten Beispiele zeigen, begleiten die Aussteller ihre Kunden auf dem Weg zur Smart Factory. Sie holen sie da ab, wo sie stehen: sei es bei der Basisautomatisierung inklusive Dokumentation und Nachverfolgung, bei der prozessdatengestützten Optimierung von Prozessen oder der Implementierung eines umfassenden MES-Systems, das Verfügbarkeit, Leistung und Qualität sukzessive verbessert.   

Autor

Ulla Reutner
Dr. Ulla Reutner
Chemist and freelance specialised journalist