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- 06.07.2025
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Europas Konjunktur: Chemie und Lebensmittel sehen Licht – Pharma geht voran
Lust auf Konsum. Mut zur Investition. Das funktioniert, wenn die Konjunktur brummt und die Aussichten rosig sind. Ganz so positiv stellt sich das für Europa (noch) nicht dar. Aber immerhin: Die großen Länder des Kontinents kommen aus dem Tief oder haben es bereits überwunden. Wichtige Investitionsbereiche fordern und fördern gerade Branchen, die die POWTECH TECHNOPHARM prägen.
Geschrieben von Dr. Ulla Reutner

Nach der wirtschaftlichen Schwächephase der Jahre 2022 und 2023 und einem zögerlichen Aufschwung 2024 stabilisiert sich die europäische Wirtschaft zunehmend. Die Eurozone verzeichnete im ersten Halbjahr 2025 ein moderates Wachstum des BIP von rund 1,2 Prozent, getragen von einer leichten Erholung des Konsums, einem stabilen Arbeitsmarkt sowie anziehenden Investitionen. Die Investitionsneigung wird unterstützt von der Europäischen Zentralbank, die bereits zum siebten Mal seit Sommer 2024 den Leitzins gesenkt hat.
Mit BIP-Wachstumsraten von erwarteten +1,4 Prozent für Großbritannien, +0,6 bis +0,7 Prozent für Frankreich und einem moderaten Wachstum von +0,7 Prozent in Italien liegen drei der fünf größten Volkswirtschaften im Aufwärtstrend. Deutschland bildet immer noch das Rücklicht: Die meisten Prognosen rechnen mit einem Wachstum nahe 0 Prozent für 2025; 2026 könnte es laut OECD und EU-Kommission schon auf +1,1 Prozent ansteigen. Klar an der Spitze – mit + 2,6 Prozent Wachstum, prognostiziert für 2025 und 2,0 Prozent für 2026 liegt Spanien, dank starker Binnennachfrage und merklichem ARF-Effekt (ARF = Aufbau- und Resilienzfazilität, Instrument der EU zur Überwindung der Pandemie-Folgen).
Spanien hat wohl Einiges richtig gemacht. Auch der spanische Feststofftechnologiesektor beweist in einem komplexen globalen Wirtschaftsumfeld eine bemerkenswerte Anpassungsfähigkeit. Der spanische Aufbau- und Resilienzplan ist einer der größten innerhalb der EU. Er konzentriert sich vor allem auf die grüne Transformation inklusive Energiewende und auf die Digitalisierung. Bildung und Reformen, um die Effizienz der öffentlichen Ausgaben zu erhöhen, sind weitere Schwerpunkte.

Digitaler und grüner – das spanische Modell
Zwar kann das spanische Modell nicht einfach auf andere Länder übertragen werden. Doch mindestens gibt es Elemente, die auch dem Rest Europas gut anstehen würden – und auch vielfach bereits „kopiert“ werden. Besonders die Digitalisierung und die Dekarbonisierung bilden Investitionsfelder, in denen es – gerade auch in Deutschland – vorwärts gehen muss. Hinzu kommt der Trend zum Nearshoring, der Verlagerung von Geschäftsprozessen oder -funktionen in nahegelegene Länder. Unternehmen profitieren, indem sie Kosten senken und zugleich Vorteile wie kurze Transportwege, reibungslose Zusammenarbeit und Rechtssicherheit innerhalb der EU zu erzielen.
Was erwartet die größten Zielbranchen der POWTECH TECHNOPHARM vor diesem Hintergrund? Nicht einfach hat es nach wie vor die chemische Industrie Europas. Sie steckt mitten in einem tiefgreifenden Transformationsprozess. „Chemie noch auf Stand-by“ titelt der Verband der Chemischen Industrie Deutschlands (VCI) im Juni mit Blick auf die wirtschaftliche Lage der Branche. Von Januar bis April lag die Produktion um 1,1 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Cefic, das Forum der chemischen Industrie der EU, unterstreicht die „Notwendigkeit mutiger und dringender Maßnahmen zur Sicherung der industriellen Zukunft Europas – nicht nur zur Umsetzung des Green Deals, sondern auch zur Verhinderung einer weiteren Deindustrialisierung in Europa.“ Wie auch die meisten Analysten macht der Europaverband hohe Energiepreise, Regulierungs-, Arbeits- und Rohstoffkosten für den Wettbewerbsnachteil gegenüber USA, China und dem Nahen Osten verantwortlich. Die Kapazitätsauslastung war 2023 und 2024 mit um die 75 Prozent auf einem historischen Tiefststand (Durchschnitt 81 Prozent).
Chemie blickt seit langem wieder positiv in die Zukunft
Erste Stabilisierungstendenzen sind jedoch sichtbar. Der VCI berichtet von einer raschen Erholung vom Zollschock im April. „Erstmals seit einem Jahr blicken die Chemieunternehmen wieder positiv auf die kommenden sechs Monate. Hoffnungen setzt die Branche vor allem auf das Inlandsgeschäft, während bei den Exporterwartungen weiterhin Zurückhaltung herrscht.“ Als Zulieferer für zentrale industrielle Wertschöpfungsketten könnte die Chemiebranche frühzeitig von einer anziehenden Inlandsnachfrage profitieren. Dafür müssten die angekündigten wirtschaftspolitischen Maßnahmen nun rasch umgesetzt werden. Laut VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup herrscht nun endlich Aufbruchstimmung: „Die Bundesregierung sorgt für frischen Wind mit Entlastungen bei Steuern und Energiepreisen.“ Die Chancen für einen Aufschwung in 2026 stünden gut.
Nachfrageimpulse für die Chemiebranche Europas kommen aus Bau, Automobil (E-Mobilität, Leichtbau) und Agrarchemie. Die Dekarbonisierung forciert zusammen mit der Kreislaufwirtschaft Investitionen in neue Verfahren wie Wasserstofftechnologien, CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS) bzw. -Nutzung (CCU) sowie die Elektrifizierung von Prozessen. Auch die Optimierung von Produktionsprozessen und die Verbesserung der Energieeffizienz bringt die Branche voran. Digitalisierung und KI spielen dabei eine wachsende Rolle. Standortverlagerungen bleiben jedoch nach wie vor ein Thema, etwa in Richtung Osteuropa oder Nahost.
Viele europäische Chemieunternehmen rechnen mit einer Erholung – jedoch erst 2026. Nach einer Umfrage der Managementberatung Horváth bei Vorstands- und Geschäftsführungsmitglieder führender europäischer Chemiekonzerne könnte es auf eine Ertragssteigerung von mindestens fünf Prozent herauslaufen. Falls nicht doch noch ein globaler Handelskrieg jeden Aufwärtstrend jäh stoppt. Oder die Konsumstimmung angesichts des Abbaus von Arbeitsplätzen und immer neuer globaler Hiobsbotschaften wieder umschlägt.
Krisenfeste Pharmaindustrie setzt auf Nearshoring
Erfreulicher sieht es für die europäische Pharmaindustrie aus, die sich weitgehend krisenresistent zeigt. Nach den Pandemieeffekten hat sich das Wachstum normalisiert, bleibt aber robust, insbesondere in der Biotechnologie, Onkologie und bei seltenen Erkrankungen. Für 2025 und 2026 wird ein stabiles Wachstum von drei bis vier Prozent jährlich erwartet. Nearshoring ist Trend, das heißt die Produktion wird teilweise nach Europa zurückgeholt. Der Weltpharmamarkt belief sich 2023 auf rund 1.464,1 Mrd. US-Dollar (2023) und wächst seit 2015 stetig, mit Wachstumsraten bis zu zehn Prozent.
Deutschland, traditionell pharmaforschungsintensiv, ist und bleibt ein wichtiger Produktionsstandort und Exporteur von Arzneimitteln. Mit einem Wachstum von +8 Prozent war die Entwicklung 2022 und 2023 besonders erfreulich. 2024 war vor allem die Impfstoffproduktion auf ein Normalmaß zurückgefallen; damit gingen Rückgänge bei Produktion und Umsatz (-2,7 Prozent) gegenüber Vorjahr). Zu Jahresbeginn 2025 kam dann das wichtige Exportgeschäft in Schwung, wohl durch von Trump angedrohte Zölle. Etliche Unternehmen haben vor diesem Hintergrund ihre Lagerbestände in den USA aufgebaut, so der Verband der forschenden Pharmaunternehmen in Deutschland vfa. Er prognostiziert für 2025 ein Umsatzwachstum von +2,5 Prozent und für 2026 +1,3 Prozent. Auch die Investitionen in der Pharmaindustrie dürften weiter zulegen, um zweieinhalb bis drei Prozent, bereinigt um Preiseffekte. Damit lägen die Investitionen 2025 bei 15 Mrd. Euro und 2026 bei 16 Mrd. Euro.
Der vfa baut auf die neue Regierung und deren Geschlossenheit bei der Umsetzung nötiger Maßnahmen, damit sich Deutschland auch künftig gegenüber USA und China behaupten kann. Europa sollte der führende Markt für Innovationen werden, so der Verband. Neben der Produktentwicklung ist auch die effiziente Organisation industrieller Hightech-Produktion ein Pluspunkt. Im globalen Wettbewerb zählt das Tempo, mit dem Produktionskapazitäten aufgebaut werden. Dafür wünscht sich der Verband europäische Unterstützung und den Abbau bürokratischer Hürden.
Die Schweiz ist übrigens nach wie vor einer der wichtigsten Standorte der Pharmaindustrie weltweit. Sie produzierte im Jahr 2022 Pharmagüter im Wert von rund 56,6 Mrd. Euro (2024 unbekannt) und stand damit auf Platz 1 in Europa. Der zweite große Player ist Irland, das als drittgrößter Pharmaproduzent weltweit gilt. Es wächst weiter dynamisch. Schweiz und Irland dürften sich demnach ein Kopf-an-Kopf-Rennen zu Platz 1 der europäischen Pharmaindustrie bieten. Der Produktionswert der deutschen Pharmaindustrie lag 2024 bei rund 38 Mrd. Euro. Neue Wachstumspotenziale für die europäische Pharmaindustrie ergeben sich u. a. aus Digital Health, KI in der Wirkstoffentwicklung und mRNA-Technologien sorgen für neue Wachstumspotenziale. Für 2025/2026 wird ein stabiles Wachstum von drei bis vier Prozent jährlich erwartet.


Neue EU-Lifescience-Strategie pusht Pharma und Food
Wichtige Impulse für die europäische Pharmaindustrie bietet die Anfang Juli von der EU-Kommission vorgestellte Lifescience-Strategie. Sie fördert F&E und multinationale klinische Studien. Biotech-Startups sollen durch einen EU Biotech Act schneller marktfähig werden und durch eine Matchmaking-Plattform effizient mit Investoren und Industrie verbunden werden. 300 Millionen Euro sollen für innovative Lösungen wie Impfstoffe der nächsten Generation und bezahlbare Krebsbehandlungen bereitgestellt werden. Eine weitere Förderung betrifft KI-Technologien zur Entwicklung persönlicher Therapieansätze.
Aber auch die Lebensmittelindustrie, insbesondere New Food, soll von der EU-Lifescience-Strategie profitieren, etwa von Fördermitteln in Höhe von rund 350 Mio. Euro für Fermentationstechnologien und alternative Proteine. Nachhaltige Ernährungssysteme sollen ebenfalls gefördert werden. Ein Ausgleich tut Not. Denn die Lebensmittelbranche steht durch gestiegene Rohstoffkosten, volatile Energiepreise und den Wandel im Konsumverhalten unter Druck. Laut dem europäischen Branchenverband FoodDrinkEurope ist die Lebensmittel- und Getränkeindustrie Europas größte verarbeitende Industrie. Sie schafft Arbeitsplätze für rund 4,7 Millionen Menschen, erwirtschaftet einen Umsatz in Höhe von 1,2 Billionen Euro und spielt somit eine wesentliche Rolle für die Wirtschaft der EU.
Während Deutschlands Lebensmittelindustrie seit 2022 einen leicht rückläufigen Trend durch hohe Kosten und schwache Nachfrage verzeichnet, konnte die französische Konkurrenz moderat wachsen. Auch Italien erholt sich seit 2022 vom pandemiebedingten Einbruch. Spaniens Produktion litt 2022-23 unter Dürre (z. B. Olivenöl), konnte aber 2024 wieder um knapp 2 Prozent wachsen. In Deutschland sinkt vor allem der Inlandsmarkt, auf dem die Branche im März 2025 12,6 Mrd. Euro erwirtschaftete (-1,7 Prozent nominal). Im Auslandsgeschäft kann sie sich dagegen weiter behaupten; sie verzeichnete im März 2025 ein Umsatzplus von 12,8 Prozent gegenüber Vorjahresmonat auf 7,5 Mrd. Euro.
Food-Processing setzt auf Weihenstephaner Standards
Der Food-Processing-Sektor ist immerhin die viertgrößte Industriebranche in Deutschland – mit über 6.000 Unternehmen. Auch für ihn gilt: die Zukunft verlangt Digitalisierung und Automatisierung. An Bedeutung gewinnen zudem moderne Produktions- und Kommunikationstechnologien wie etwa die Weihenstephaner Standards (WS) als Schnittstellen zwischen Verpackungs- bzw. Produktionsmaschinen zu übergeordneten Systemen.
Fermentation und der Einsatz von Enzymen sind deutlich im Kommen. Wachstumschancen werden vor allem für die Bereiche Convenience, Ready Meals und On-the-Go prognostiziert. Offensichtlich haben dies viele Hersteller im Blick. 27,4 von 100 vom ifo-Institut befragten Hersteller gingen im Mai 2025 von einer Verbesserung des Geschäfts innerhalb der nächsten sechs Monate aus (16,7 rechnen mit einer Verschlechterung). Ob im In- oder Ausland lässt sich hier jedoch nicht herauslesen. Die Exportmärkte in Asien und dem Nahen Osten bieten jedenfalls weiterhin Wachstumschancen.
Fazit: Effizienz und Innovation halten Prozessbranchen fit für den Weltmarkt
Die europäische Wirtschaft befindet sich im Übergang von Stabilisierung zu einem moderaten Aufschwung. Investitionen in grüne Technologien, Digitalisierung und regionale Resilienz stärken vor allem die strukturell robusteren Branchen wie Pharma und spezialisierten Maschinenbau. Für Chemie und Lebensmittel wird Effizienz entscheidend. Innovative Produkte und wohl noch wichtiger automatisierte, digitalisierte Prozesse mit KI-Einsatz sind eine gute Grundlage, um auf dem Weltmarkt zu bestehen.
