• 06.05.2025
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Virtuelle Partikel: Simulation als Schlüssel für moderne Schüttguttechnik

Simulationstechniken ermöglichen heute eine präzise Analyse und Optimierung von Prozessen in der Schüttguttechnik – oft ganz ohne teure Versuchsreihen. Welche Rolle spielen Simulationen inzwischen, welche Herausforderungen gibt es – und wie treiben Digitalisierung und KI die Entwicklung weiter voran?

Geschrieben von Marius Schaub

Eine Frau in Arbeitskleidung steht in einer Werkstatt und trägt eine VR-Brille
Wie verhält sich Schüttgut in der Praxis? Verschiedene Methoden der Simulation bieten neue Einblicke und erweiterte Möglichkeiten.

Die Schüttguttechnik steht vor der Herausforderung, komplexe Materialflüsse effizient und zuverlässig zu gestalten. Moderne Simulationstechniken, insbesondere die Diskrete-Elemente-Methode (DEM), ermöglichen es, das Verhalten von Schüttgütern unter verschiedenen Bedingungen präzise vorherzusagen. Das führt zu einer verbesserten Planung und Optimierung von Anlagen, reduziert Kosten und minimiert Risiken.

Die für die Modellierung des Verhaltens von Schüttgütern besonders relevante DEM ist ein numerisches Simulationsverfahren zur Berechnung des Verhaltens von Schüttgütern und anderen granularen Materialien. Dabei wird jeder Partikel als einzelnes Element modelliert, das mit benachbarten Partikeln und Umgebungsgrenzen über physikalische Kontaktgesetze interagiert. Die Methode berücksichtigt Kräfte wie Reibung, Aufprall und Gravitation, um Bewegungen und Wechselwirkungen realistisch darzustellen. DEM erlaubt es so, komplexe Phänomene wie Fließverhalten, Verstopfungen oder Materialtrennung detailliert zu analysieren.

Vom Experiment zur Simulation

Traditionell basierte die Auslegung von Schüttgutanlagen auf empirischen Daten und umfangreichen Experimenten. Mit dem Aufkommen leistungsfähiger digitaler Technologie und fortschrittlicher Simulationssoftware hat sich dieser Ansatz gewandelt. Simulationen ermöglichen es so immer öfter, verschiedene Szenarien virtuell zu testen, was Zeit und Ressourcen spart und gleichzeitig die Genauigkeit erhöht.

Hürden beim Einsatz von Simulation

Trotz der Vorteile gibt es zum heutigen Stand noch Herausforderungen:

  • Kalibrierung der Modelle: Die Genauigkeit von Simulationen hängt stark von der Qualität der Eingabedaten ab. Die Bestimmung material- und prozessspezifischer Parameter erfordert sorgfältige Kalibrierung.
  • Rechenaufwand: Komplexe Simulationen, insbesondere bei großen Partikelzahlen, können erhebliche Rechenressourcen erfordern.
  • Integration in bestehende Prozesse: Die Einbindung von Simulationen in bestehende Entwicklungs- und Produktionsprozesse erfordert Anpassungen und geschulte Mitarbeiter.

Drei Beispiele für Simulation im Einsatz

Was in der Theorie gut klingt, muss auch in der Praxis funktionieren. Tatsächlich gibt es zahlreiche Beispiele von Anwendungen, in denen Simulation den Umgang mit Schüttgütern optimiert.

Simulation von Wendelförderern mit DEM

Am Institut für Fördertechnik und Schüttgutlogistik (IFSL) wurde die DEM eingesetzt, um das Verhalten von Schüttgütern in Wendelförderern zu analysieren. Die Simulationen ermöglichten eine detaillierte Untersuchung der Partikelbewegungen und führten zu einer verbesserten Auslegung der Förderer.

Kopplung von DEM und Mehrkörpersimulation bei Becherwerken

An der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg wurde eine Methode entwickelt, die DEM mit Mehrkörpersimulation (MKS) kombiniert. Das ermöglichte eine präzisere Analyse des Schöpfwiderstands in Becherwerken und führte zu optimierten Designs.

Klassierprozesse in Siebung und Gegenstromsichtung

Forscher der TU Berlin nutzten DEM, um Trennkurven in Sieb- und Sichtungsprozessen zu simulieren. Die Ergebnisse halfen, die Effizienz dieser Prozesse zu steigern und die Produktqualität zu verbessern.

Ausblick: Die Zukunft der Simulation in der Schüttguttechnik

Mit der fortschreitenden Digitalisierung und der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz werden sich künftig immer neue Möglichkeiten für die Simulation in der Schüttguttechnik ergeben. Einige sind bereits heute in greifbarer Nähe:

  • Echtzeitsimulationen: Durch den Einsatz von KI können Simulationen in Echtzeit durchgeführt werden, was eine sofortige Anpassung von Prozessen ermöglicht.
  • Automatisierte Optimierung: KI-Algorithmen können genutzt werden, um optimale Prozessparameter automatisch zu ermitteln.
  • Integration in digitale Zwillinge: Simulationen werden zunehmend Teil von digitalen Zwillingen, die eine umfassende Überwachung und Steuerung von Anlagen ermöglichen.

Diese Entwicklungen versprechen nicht nur weitere Steigerungen der Effizienz und Flexibilität in der Schüttguttechnik – sie eröffnen auch neue Möglichkeiten für eine vorausschauende Anlagenplanung und -steuerung. Simulationen werden absehbar zu einem integralen Bestandteil digital vernetzter Prozesse und eine kontinuierliche Optimierung im laufenden Betrieb ermöglichen.

Besonders die Kombination mit Künstlicher Intelligenz kann dazu beitragen, bisher unerkannte Zusammenhänge im Materialverhalten aufzudecken. Damit wird Simulation nicht nur zum Werkzeug der Planung, sondern auch zum Treiber für Innovation und Wettbewerbsfähigkeit in der zunehmend datengetriebenen Schüttgutindustrie.

Autor

Marius Schaub
Marius Schaub