• 07.07.2025
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Wie funktioniert eigentlich … Zellstoffproduktion?

Die Herstellung von Zellstoff ist ein Eldorado der mechanischen Verfahrenstechnik. Nicht nur aufgrund der vielfältigen Verfahren, sondern auch wegen der enormen Mengen. Aber wie wird Zellstoff eigentlich hergestellt? Welche aktuellen Herausforderungen prägen die Technik? Und welchen Beitrag können Technologien, die auf der POWTECH TECHNOPHARM zu sehen sind, leisten?

Geschrieben von Armin Scheuermann

Zellstoffe für die Produktion von Hygienepapiere und ein Zweig mit Fichtennadeln
Zellstoff ist die Grundlage für Papier und Kartons. Ein wesentlicher Trend besteht darin, die CO2-Emissionen der Zellstoffproduktion zu senken. Im Bild: Das aktuelle Zellstoffmaterial NaturaFluff Eco von Stora Enso.

Die Zellstoff- und Papierindustrie gehört zu den bedeutendsten Industriesektoren weltweit – nicht nur aufgrund ihres Marktvolumens von rund 905 Milliarden US-Dollar (2023), sondern auch wegen ihrer enormen Innovations- und Marktdynamik. Prognosen zeigen: Bis 2028 soll das globale Produktionsvolumen auf fast eine Billion US-Dollar steigen. Treiber sind vor allem Verpackungspapiere, die im Zuge von E-Commerce und wachsendem Nachhaltigkeitsbewusstsein an Bedeutung gewinnen. Auf der POWTECH TECHNOPHARM 2025, dem zentralen Branchentreff der Verfahrenstechnik im September in Nürnberg, werden Besucher live erleben können, wie moderne Verfahren und Messtechnik die Zellstoffproduktion effizienter, nachhaltiger und wettbewerbsfähiger gestalten – von der Rohstoffaufbereitung bis zur prozesssicheren Papierherstellung.

Zellstoffherstellung: Verfahren im Überblick

Die Zellstoffgewinnung bildet den Ausgangspunkt der Papier- und Kartonproduktion. Ziel ist es, die Zellulosefasern aus pflanzlichem Material zu extrahieren – überwiegend aus Holz, aber zunehmend auch aus alternativen Quellen. Der Aufschluss kann auf chemischem, mechanischem oder kombiniertem Weg erfolgen. Grundsätzlich stehen dafür drei Verfahren zur Verfügung: die chemische, die mechanische und die halbchemische Aufbereitung.

Im dominierenden Sulfatverfahren wird das Holz mit einer alkalischen Kochlauge aufgeschlossen. In einem großen Kocher wird dazu Holz unter hohen Temperaturen und Drücken mit einer Lauge aus Natriumsulfid und Natronlauge gekocht. Die chemische Reaktion löst das Lignin aus dem Holz, während die Zellulosefasern erhalten bleiben. Die entstehende Schwarzlauge wird anschließend verbrannt, wobei wertvolle Energie zurückgewonnen wird – ein wichtiger Aspekt für die Energieeffizienz des Prozesses.

Der Vorteil des Sulfatverfahrens, das auch „Kraftverfahren“ genannt wird, liegt in der hohen Festigkeit des Zellstoffs und der breiten Rohstoffbasis – selbst widerstandsfähige Holzarten lassen sich damit verarbeiten. Während des gesamten Kochprozesses ist eine präzise Druckmessung unverzichtbar, um die Prozessparameter stabil zu halten und Sicherheitsrisiken zu vermeiden. Auch die Füllstände in den Laugen- und Zellstofftanks müssen permanent überwacht werden, um eine gleichmäßige Versorgung und optimale Chemikalienrückgewinnung sicherzustellen.

Das Sulfitverfahren, eine etwas ältere Technik die heute eine geringere Rolle spielt, setzt auf saure oder neutrale Kochchemikalien. Es liefert zwar besser bleichbaren Zellstoff, wird jedoch aufgrund seiner geringeren Rohstoffflexibilität und des höheren chemischen Aufwands inzwischen seltener verwendet. Hier kommt die Messtechnik vor allem bei der präzisen Dosierung der Kochchemikalien sowie der Überwachung von Druck und Füllständen in den Kochtürmen zum Einsatz.

Neben diesen chemischen Verfahren kann Zellstoff auch mechanisch gewonnen werden: Dabei wird das Holz in einem Refiner unter Zugabe von Wasser und Wärme rein mechanisch zerfasert. Verfahren wie die Holzschliff- oder die thermomechanische Aufbereitung (TMP) benötigen deutlich mehr Energie, liefern jedoch eine höhere Faserausbeute: Mechanische Zellstoffe enthalten das gesamte Lignin, was die Alterungsbeständigkeit der Papiere reduziert, sie aber für Anwendungen wie Zeitungsdruck oder Karton prädestiniert. Der Nachteil der mechanischen Verfahren liegt in ihrem extrem hohen Energiebedarf. In den mechanischen Verfahren sind Drucksensoren in den Leitungssystemen und Pumpensteuerungen essenziell, während Füllstandsensoren den Materialfluss in den Faserstofftürmen und Puffertanks überwachen. Gerade hier ist eine exakte Füllstand- und Druckkontrolle entscheidend, um die Anlagen vor Überlastung zu schützen und die gewünschte Faserkonsistenz sicherzustellen.

Bei der schon etwas exotischeren halbchemischen Zellstoffgewinnung, werden die Holzspäne zunächst mild chemisch vorbehandelt und dann mechanisch aufgeschlossen werden. Diese Kombination reduziert den Energiebedarf im Vergleich zur rein mechanischen Aufbereitung und erhält gleichzeitig einen Teil der Festigkeitseigenschaften von chemischen Zellstoffen. Auch hier überwachen Füllstandmessgeräte die Materialströme zwischen den Prozessstufen, während Druckmessgeräte die Prozessparameter in den Aufbereitungsstufen stabil halten.

Im Anschluss an den Aufschluss wird der Zellstoff in mehreren Schritten gereinigt und je nach gewünschtem Endprodukt mehrstufig gebleicht. Dabei kommen Chemikalien wie Sauerstoff, Wasserstoffperoxid oder Chlordioxid zum Einsatz. Füllstandmessgeräte in den Chemikalienlagern sowie Drucksensoren in den Dosierleitungen sorgen für eine präzise und sichere Dosierung dieser oft aggressiven Substanzen.

Rohstoffalternativen: Hanf, Bambus & Co. erfordern angepasste Technik

Angesichts steigender Holzpreise, wachsender Umweltauflagen und der Suche nach nachhaltigen Lösungen gewinnen alternative Pflanzenfasern an Bedeutung. Rohstoffe wie Hanf, Bambus, Schilf oder Gras bieten ökologisch überzeugende Vorteile: geringerer Wasser- und Chemikalienbedarf, schnelleres Wachstum und oftmals einfachere Aufbereitung.

Hanf etwa liefert besonders lange und stabile Fasern, die sich gut recyceln lassen und kaum gebleicht werden müssen. Graspapier punktet durch geringen Energieeinsatz, während Bambus durch sein schnelles Wachstum besonders nachhaltig ist. Aus verfahrenstechnischer Sicht unterscheidet sich der Aufschluss dieser Materialien vom Holz vor allem durch die geringere Ligninmenge – dadurch sind die Prozesse oft schonender, aber auch weniger standardisiert.

Die Herausforderung: Die Verarbeitung alternativer Fasern erfordert häufig angepasste Maschinen und bringt höhere Kosten mit sich. Hier liegt großes Innovationspotenzial – insbesondere für Unternehmen der mechanischen Verfahrenstechnik, die an Lösungen für flexiblere, rohstoffübergreifende Prozesse arbeiten.

Zerkleinerte Getränkekartons auf einem Förderband an einer Repulping-Linie in einer Fabrik von Stora Enso
Recycling spielt eine zentrale Rolle in der Herstellung von Zellstoff. Im Bild: Benutzte Getränkekartons auf dem Weg in eine Repulping-Linie des Zellstoffherstellers Stora Enso.

Aktuelle Herausforderungen: Energie, Rohstoffe und Nachhaltigkeit im Fokus

Seit 2020 sehen sich Zellstoff- und Papierhersteller mit extrem volatilen Zellstoffpreisen konfrontiert – teils mit Schwankungen von über 60 Prozent innerhalb weniger Monate. Hohe Holz- und Chemikalienpreise, gestörte Lieferketten und geopolitische Risiken wie der Ukraine-Krieg erhöhen den Druck zusätzlich. Unternehmen müssen ihre Prozesse zunehmend flexibler gestalten – auch durch den gezielten Einsatz von Prozessmesstechnik zur Reduktion von Verlusten und effizienterem Chemikalieneinsatz.

Die Strompreise, insbesondere in Deutschland, stellen einen massiven Wettbewerbsnachteil dar. Gleichzeitig wurden große Fortschritte erzielt: Der Wasserverbrauch wurde seit den 1970er Jahren um über 80 % gesenkt, der Energiebedarf pro Tonne Papier um zwei Drittel reduziert – durch Wärmerückgewinnung, Kraft-Wärme-Kopplung und den Einsatz von Reststoffen als Brennstoff.

Auch Recycling spielt eine zentrale Rolle: In Deutschland werden jährlich rund 18 Millionen Tonnen Altpapier wiederverwertet. Dies reduziert nicht nur den Rohstoffeinsatz, sondern auch CO₂-Emissionen. Die Herausforderung liegt in der Prozesssteuerung – denn die Qualität der Recyclingfasern nimmt mit jedem Zyklus ab.

Aber auch das Ziel der CO₂-Neutralität bis 2050, zu dem sich die Branche verpflichtet hat, erfordert große Anstrengungen und kann nur durch massive Investitionen in nachhaltige Energie, Prozessmodernisierung und Kreislaufwirtschaft erreicht werden.

Fazit: Technologische Innovation als Schlüssel zur Zukunft der Zellstoffproduktion

Die Zellstoffproduktion ist verfahrenstechnisch anspruchsvoll. Wirtschaftlicher Druck, neue Rohstoffe und ambitionierte Umweltziele verlangen zudem nach hochpräzisen, flexiblen und ressourcenschonenden Verfahren. Für die mechanische Verfahrenstechnik eröffnet sich hier ein weites Betätigungsfeld – von energieeffizienten Aufschlussverfahren über adaptive Messtechnik bis hin zur digitalen Prozessoptimierung.

Die POWTECH TECHNOPHARM 2025 in Nürnberg bietet genau das richtige Umfeld, um diese Lösungen live zu erleben: Maschinen, Komponenten und Systemlösungen, die die Zellstoffproduktion von morgen ermöglichen – effizienter, nachhaltiger und zukunftsfähiger.

FACHPACK & POWTECH TECHNOPHARM 2025: Wo Verpackung auf Verfahren trifft

Doppelt stark: Zwei Leitmessen – ein Thema
Wenn im Herbst 2025 die FACHPACK und die POWTECH TECHNOPHARM in Nürnberg parallel stattfinden, wird sichtbar, wie eng moderne Verpackungslösungen und smarte Prozesstechnik zusammenhängen. Besonders im Fokus: nachhaltige Zellstoffverpackungen – und die Verfahren, mit denen sie entstehen.

FACHPACK: Verpackung weitergedacht

  • Nachhaltige Verpackungskonzepte auf Zellstoffbasis – von Menüschalen bis zu Elektroniktrays
  • Kreislaufwirtschaft und Recyclingfähigkeit als Innovationsmotor
  • Digitalisierung & Automatisierung im Verpackungsprozess

Materialinnovation & Design for Recycling

POWTECH TECHNOPHARM: Verfahrenstechnik für die Zukunft

  • Mechanische Aufbereitung & Prozessautomatisierung – entscheidend für die Zellstoffherstellung
  • Dosier-, Misch- und Zerkleinerungstechnologien für faserbasierte Materialien
  • Sensorik, Messtechnik & Steuerung für energieeffiziente, sichere Prozesse
  • Prozessanalytik & Qualitätssicherung – von der Faser bis zum geformten Produkt

Die Verbindung macht’s: Moderne Verpackungen beginnen weit vor dem finalen Produkt – bei der Rohstoffaufbereitung, der präzisen Prozesssteuerung und der optimalen Integration von Automatisierung. Die beiden Messen zeigen, wie diese Schnittstellen erfolgreich gestaltet werden können – und machen die Kreislaufwirtschaft greifbar.

Zukunftsweisend. Vernetzt. Nachhaltig. Die Messeallianz von FACHPACK und POWTECH TECHNOPHARM zeigt, wie Verpackungstechnologie und Prozesstechnik Hand in Hand gehen.

Autor

Armin Scheuermann
Armin Scheuermann
Chemical engineer and freelance specialised journalist