• 30.04.2025
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Klimaziele der POWTECH TECHNOPHARM-Aussteller: Zwischen Anspruch und Realität

Wie halten es die Aussteller der POWTECH TECHNOPHARM eigentlich mit dem Klimaschutz? Wir wollten es genau wissen und haben nachgefragt: Wer verfolgt bereits eigene Klimaziele? Wer veröffentlicht Nachhaltigkeitsberichte? Und wo steht die Branche wirklich, wenn es um die großen Herausforderungen der Zukunft geht?

Geschrieben von Armin Scheuermann

Ein Prozessapparat wird unter den Augen von Ingenieuren in Sicherheitswesten von einem mobilen Kran angehoben
Nachhaltigkeit und Klimaneutralität sind für die Prozessindustrien wichtige Ziele – doch wie sieht es bei den Herstellern von Anlagenequipment aus?

Die Antwort auf diese Frage ist so eindeutig wie ernüchternd: Noch sind es nur wenige Unternehmen aus der Zulieferindustrie der Prozessindustrie, die sich freiwillig eigene Klimaziele gesetzt haben und über eine Nachhaltigkeitsstrategie berichten. Zwar investieren viele Firmen längst in effizientere Prozesse, in energiesparende Technologien und innovative Produktlösungen – aber eine systematische Erfassung der eigenen CO₂-Emissionen, ambitionierte Reduktionsziele oder eine öffentlich zugängliche Nachhaltigkeitsstrategie sind in der Breite bislang eher die Ausnahme. Dabei steigt der Druck auf Unternehmen kontinuierlich – nicht nur politisch, sondern auch aus dem Markt heraus. Die großen Player in der Prozessindustrie – Chemie, Pharma, Nahrungsmittel – haben längst Nachhaltigkeit zu einem strategischen Kernthema gemacht. Und sie übertragen ihre Anforderungen zunehmend auf ihre Lieferanten.

Europa macht Tempo: Die Klimaziele der EU und die CSRD-Richtlinie

Der politische Rahmen für die Klimaschutzaktivitäten in der Industrie ist längst gesetzt. Mit dem European Green Deal verfolgt die EU das Ziel, Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen. Bereits bis 2030 sollen die Emissionen um mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken. Für 2040 ist eine Reduktion um 90 Prozent geplant.

Während Länder wie Schweden oder Finnland diese Ziele sogar deutlich früher erreichen wollen – Schweden etwa bis 2045, Finnland sogar bis 2035 – stehen andere EU-Mitglieder, allen voran Polen, noch vor großen Herausforderungen. Deutschland selbst strebt Klimaneutralität bis 2045 an und hat sich ehrgeizige Zwischenziele gesetzt, etwa den Kohleausstieg bis 2030.

Besonders relevant für Unternehmen ist die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, die CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive). In diesem Jahr müssen zunächst große Unternehmen systematisch über Klima- und Nachhaltigkeitsthemen für das Jahr 2024 berichten. Ab 2025 folgen auch viele mittelständische Unternehmen – und ab 2026 sogar börsennotierte kleinere Firmen. Selbst Unternehmen, die nicht direkt betroffen sind, müssen sich auf Anforderungen ihrer Kunden einstellen, die künftig Transparenz über die gesamte Lieferkette verlangen werden.

Zwei Messebesucher unterhalten sich vor einem geöffneten Mischer
Auch POWTECH TECHNOPHARM-Aussteller, die nicht direkt von der EU-CSRD-Richtlinie betroffen sind, müssen sich auf Anforderungen ihrer Kunden einstellen.

Pioniere auf der POWTECH TECHNOPHARM: Wer heute schon Verantwortung übernimmt

Einige Aussteller der POWTECH TECHNOPHARM haben längst erkannt, dass Nachhaltigkeit kein Modethema ist, sondern zum Kern der Unternehmensstrategie gehört. So zählt AZO zu den Vorreitern in der Branche. Das Unternehmen aus Osterburken verfolgt konsequent das Ziel, seine Standorte klimaneutral zu gestalten. Dabei setzt AZO nicht nur auf Ökostrom und eigene Photovoltaikanlagen, sondern auch auf eine nachhaltige Lieferkette – Stichwort „Glocalization“. „Nachhaltiges Denken und Handeln bildet sich in unseren Prozessen und Produkten ab. Wir handeln ressourcenschonend und setzen uns für Klimaschutz ein“, betont das Unternehmen.

Ähnlich ambitioniert zeigt sich Hosokawa Alpine. Das Unternehmen will bis 2030 CO₂-neutral wirtschaften und hat dafür bereits seit 2021 vollständig auf Grünstrom umgestellt. Hinzu kommen zahlreiche Effizienzmaßnahmen in der Produktion und der Verzicht auf unnötige Dienstreisen. Für Hosokawa Alpine gilt: „Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit müssen Hand in Hand gehen.“

Auch Haver & Boecker setzt klare Akzente in Richtung Klimaschutz. Unter dem Leitbild „Planet Blue“ entwickelt das Unternehmen Maschinen mit langer Lebensdauer und hohem Recyclinganteil. Verpackungslösungen werden ressourcenschonend gestaltet, der Energieverbrauch wird durch moderne Technologien reduziert. „So viel wie nötig, so wenig wie möglich“ lautet dabei das selbstgesetzte Prinzip.

Fette Compacting wiederum verbindet Nachhaltigkeit und Produktinnovation. Die neuen Tablettenpressen der i-Series verbrauchen bis zu 15 Prozent weniger Energie als frühere Modelle. Ein zertifiziertes Energiemanagement nach ISO 50001 stellt sicher, dass Energieeinsparpotenziale systematisch identifiziert und umgesetzt werden.

Der Zeppelin-Konzern, zu dem auch der Anlagenbauer und Aussteller Zeppelin Systems gehört, verfolgt seinerseits das Ziel, bis 2030 klimaneutral zu wirtschaften. Das Unternehmen reduziert seine CO₂-Emissionen kontinuierlich, setzt auf erneuerbare Energien und unterstützt seine Kunden dabei, Prozesse zu dekarbonisieren. Digitale Tools helfen dabei, die Effizienz von Produktionsanlagen zu optimieren.

Ein besonders bemerkenswertes Beispiel ist die Aerzener Maschinenfabrik. Das Unternehmen aus Niedersachsen hat sich Klimaneutralität bis 2045 auf die Fahnen geschrieben. Bereits seit 2024 sollen alle Standorte mit 100 Prozent Ökostrom betrieben werden. „Mission 2027“ nennt Aerzen die eigene Initiative, die Nachhaltigkeit und wirtschaftlichen Erfolg miteinander verbinden soll. Mit der Entwicklung modularer Maschinen, die sich durch eine besonders lange Lebensdauer und wiederverwertbaren Komponenten auszeichnen, kommt das Unternehmen Kernanforderungen der Kreislaufwirtschaft nach. Besonders im Bereich Abwasseraufbereitung erzielen die Schrauben- und Turbogebläse beeindruckende Energieeinsparungen. Gleichzeitig arbeitet das Unternehmen daran, seine Nachhaltigkeitsleistung transparent zu machen. Ein jährlicher Nachhaltigkeitsbericht nach den Standards der Global Reporting Initiative (GRI) dokumentiert Fortschritte bei Klimaschutz, Kreislaufwirtschaft und sozialer Verantwortung.

NürnbergMesse: bis 2028 klimaneutral

Auch der Messeveranstalter selbst stellt sich der Verantwortung für mehr Nachhaltigkeit. Die NürnbergMesse hat sich klare Klimaziele gesetzt und will ihren Betrieb bis spätestens 2028 klimaneutral gestalten. Bereits heute werden rund 90 Prozent des Energiebedarfs der Messegesellschaft durch Ökostrom gedeckt. Bis 2028 will die NürnbergMesse außerdem sämtliche noch bestehenden Emissionen aus eigenem Betrieb (Scope 1 und 2) vermeiden oder kompensieren. „Als Messegesellschaft sind wir uns unserer Verantwortung bewusst – Nachhaltigkeit ist ein zentrales Zukunftsthema für uns und unsere Kunden“, betont die Unternehmensleitung der NürnbergMesse.

Noch ist Luft nach oben – aber der Beitrag der Branche ist unbestritten

Viele andere Unternehmen auf der POWTECH TECHNOPHARM haben bislang keine öffentlich verfügbaren Klimaziele veröffentlicht. Das bedeutet aber nicht, dass sie keinen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung leisten. Im Gegenteil: Mit ihren Produkten und Technologien ermöglichen sie oft erst die Transformation in Richtung einer klimafreundlicheren Industrie. Denn egal, ob energiesparende Mischtechnologien, ressourcenschonende Verpackungslösungen oder effiziente Filteranlagen – die Prozessindustrie ist auf Innovationen aus dem Maschinen- und Anlagenbau angewiesen, um Emissionen und Ressourcenverbrauch zu senken.

Messebesucher sprechen über eine ausgestellte Produktionsmaschine
Nachhaltigkeitsthemen werden auf der POWTECH TECHNOPHARM 2025 an verschiedenen Stellen diskutiert.

Nachhaltigkeit im Fokus: POWTECH TECHNOPHARM 2025 als Plattform für klimaneutrale Innovationen

Klimaschutz und Ressourceneffizienz sind zentrale Themen der POWTECH TECHNOPHARM 2025. Die Veranstaltung versteht sich als Plattform für klimaneutrale Innovationen in der Prozessindustrie. In Fachforen werden Dekarbonisierung, Kreislaufwirtschaft und nachhaltige Produktion diskutiert. Das Forum TECHNOPHARM widmet sich der nachhaltigen Pharmaproduktion, das POWTECH Forum der Optimierung von Prozessketten. Spezielle Ausstellungsbereiche wie der Pavillon „Pharma-in-Focus“ präsentieren nachhaltige Lösungen für die Pharmaindustrie. Der Networking-Pavillon fördert Synergien im Bereich grüner Technologien. Wettbewerbe und Sonderschauen wie die VDMA-Sonderfläche machen praxisnahe Prozessketten erlebbar. Initiativen wie „Women4Processing“ setzen Akzente für mehr Diversity und fördern Nachhaltigkeitsinnovationen. Der PARTEC-Kongress beleuchtet Forschungsergebnisse zu Ressourceneffizienz. Die Verzahnung mit der Schwestermesse FACHPACK schafft Synergien zwischen Verfahrens- und Verpackungstechnik, um ressourcenschonende Lösungen voranzutreiben.

Nachhaltigkeit zentrales Thema auf der FACHPACK!

Die Partnermesse FACHPACK, parallel zur POWTECH TECHNOPHARM in Nürnberg, fokussiert noch stärker auf Nachhaltigkeit. Die Verpackungsindustrie steht unter besonderer Beobachtung bei Ressourcenschonung und Umweltverträglichkeit. Aussteller präsentieren Maschinen, Verpackungslösungen und Materialien, die auf Materialeinsparung, Recyclingfähigkeit und nachwachsende Rohstoffe ausgelegt sind. Kreislaufwirtschaft, CO₂-Reduktion und innovative Verpackungsdesigns mit weniger Kunststoffverbrauch sind Standard. Unter dem Motto „Transition in Packaging“ zeigt die FACHPACK: Nachhaltige Verpackungslösungen sind das Zukunftsthema der Branche. Maschinenbau und Verpackungsindustrie arbeiten intensiv an klimafreundlichen Technologien.

Autor

Armin Scheuermann
Armin Scheuermann
Chemical engineer and freelance specialised journalist