• 07.07.2025
  • Artikel

Wie funktioniert eigentlich die Lithiumgewinnung? – Teil 2

Viele Wege führen zum begehrten Metall Lithium beziehungsweise seinen Salzen. Völlig anders als aus lithiumhaltigen Mineralen (siehe Teil 1 unserer Miniserie) verläuft die Gewinnung aus Sole. Dabei fördert die wachsende Nachfrage moderne umweltfreundliche Methoden. Die dritte wichtige Quelle sind Altbatterien. Recyclingverfahren decken derzeit zwar höchstens zehn Prozent des Bedarfs, doch mit sehr hohem Zukunftspotenzial.

Geschrieben von Dr. Ulla Reutner

Mehrere Salzhügel in einem spiegelnden See, im Hintergrund Berge
Der Salar de Uyuni in Bolivien enthält das weltweit größte Lithiumvorkommen, laut Schätzungen zwischen 5,4 bis 21 Millionen Tonnen.

Silikatgestein, wie es unter anderem in Australien, USA, Mexiko und China abgebaut wird, gilt weltweit nur als Lithiumquelle Nummer 2. In Europa gibt es ebenfalls einige Vorkommen, etwa in Portugal, Frankreich, Serbien und im deutsch-tschechischen Grenzgebiet (Zinnwald/Cinovec) im Erzgebirge. Der mögliche Abbau wird jedoch nahezu überall durch Bürgerinitiativen gebremst, die Umweltschädigungen befürchten. Welche Verfahrensschritte zur Gewinnung von Lithiumcarbonat und -hydroxid aus Mineralen nötig sind, lesen Sie in Teil 1.

Dennoch: Europa will weiter eigene Lithiumquellen erschließen, um unabhängiger vom Import zu werden. Daher wird eine zweite Möglichkeit, die Gewinnung aus Sole, immer wichtiger. Weltweit ist lithiumhaltige Sole sogar die Quelle Nummer 1, mit 50 bis 60 Prozent. Weiße riesige Salzbecken, die sogenannten Salare, oder flache Salzseen wird man hier jedoch selten finden. Diese prägen die Lithiumgewinnung in Südamerika, im sogenannten Lithium-Dreieck zwischen Chile, Argentinien und Bolivien, also in trockenen, heißen Gebieten. In Europa gilt dagegen die direkte Lithiumextraktion (DLE) als modernstes Produktionsverfahren als zukunftsträchtig.

Lithium aus unterirdischen Salzseen

Bisher hat weltweit jedoch die klassische solare Verdunstung und Fällung die größere Bedeutung. Für sie braucht es vor allem drei Dinge: Lithiumhaltige Sole, Sonne – und Zeit. Die Grundlage sind unterirdische Salzseen. Mit Pumpen wird die Sole, die einen Lithiumionen-Gehalt von 200 bis 1500 mg/l aufweist, aus einer Tiefe zwischen zehn und 300 Metern in die Verdunstungsbecken oder -teiche, etwa dem Salar de Atacama gepumpt. Neben Lithiumsalzen enthält die Sole etliche Begleitstoffe wie Magnesium-, Natrium- und Kaliumsalze, Chloride, Sulfate, Borate etc.

Direkte Sonnenenergie erwärmt die heraufgepumpte Sole, lässt das Wasser verdunsten und konzentriert somit die Lösung immer weiter auf. Bis zu 97 Prozent des Wassers verdunstet. Dieser Prozess dauert von mehreren Monaten bis zu zwei Jahren. Zunächst fällt dabei Natriumchlorid (Halit), bei weiterem Aufkonzentrieren auch Kalium- und Magnesiumchlorid aus. Ist die Sole auf sechs bis acht Prozent des Ursprungsvolumens reduziert, werden weitere Begleitstoffe chemisch entfernt: etwa durch Zugabe von Kalkmilch, wodurch Calciumhydroxid ausgefällt wird.

Nun folgt der eigentliche Schritt der Lithiumgewinnung: Die konzentrierte, gereinigte Sole wird mit Natriumcarbonat versetzt. Lithiumcarbonat fällt aus und wird abfiltriert. Nach dem Trocknen kann es durch Raffination zu Lithiumcarbonat mit Batteriequalität (mit einer Reinheit von über 99,5 Prozent) oder durch die Umsetzung mit Kalk zu Lithiumhydroxid umgewandelt werden.

Diese Form des Lithiumabbaus ist mit einem immensen Wasserverbrauch verbunden: für 1 kg Lithium fast 2000 Liter. Und das in einem Gebiet, das sehr trocken ist. Die salzhaltige Sole kann zwar nicht für die Bewässerung oder als Trinkwasser genutzt werden. Doch das Abpumpen bedroht auch die Vorräte an Süßwasser. Bei zu starkem Abpumpen des Salzwassers könnte es nachströmen und sich mit Sole mischen.

Flache Agrarlandschaft mit einem zentralen Bohrturm, umgeben von mehreren Gebäuden, Containern und Fahrzeugen. Im Hintergrund ist ein Windpark zu sehen
Ende Mai hat die zur Vulcan-Gruppe gehörende Bohrgesellschaft Vercana mit den Bohrarbeiten für eine neue Tiefbohrung begonnen. Am Standort Schleidberg/Insheim startet die erste Phase des kombinierten Projekts zur Produktion von klimaneutralem Lithium und erneuerbarer Energie aus Tiefengeothermie.

Lithium aus Thermalwasser

Als umweltfreundlicher gelten Verfahren, die Lithium aus Thermalwasser gewinnen, als Nebenprodukt der Geothermie. Derartige Verfahren haben vor allem in Mitteleuropa Bedeutung. Aber auch in Kalifornien, Chile, Neuseeland und der Türkei laufen bereits Untersuchungen und Pilotprojekte  , um Lithium in Geothermie-intensiven Regionen aus Sole zu gewinnen. Und es gibt noch weitere Länder mit geothermischem Lithiumpotenzial – wie Island, Italien und Japan.

Am weitesten fortgeschritten sind die Projekte am Saltonsee in Kalifornien und am Oberrheingraben in Deutschland. Mit elf aktiven Geothermie-Kraftwerken ist die Umgebung des Saltonsees bereits weit erschlossen. Parallel laufen dort mehrere Projekte zur Lithiumgewinnung, unter anderem von CTR und BHE Renewables. Am Oberrheingraben nutzen die Geothermieanlagen in Insheim und Landau lithiumhaltige Sole. Dort strebt das Unternehmen Vulcan Energy einen klimaneutralen Prozess zur Lithiumerzeugung an.

Die genannten Projekte nutzen alle die Direkte Lithiumextraktion (DLE), bei der zunächst das heiße Thermalwasser (rund 150 °C) aus einer Tiefe von ca. zwei bis fünf Kilometern heraufgepumpt wird. Typischerweise besteht es aus Sole mit einer Konzentration von 200 bis 230 mg/l. Nach der Nutzung der heißen Sole zur Energiegewinnung wird sie mit der optimalen Prozesstemperatur einem Sorptionssystem zugeführt. In diesem wird ein Ionenaustauschharz oder Adsorptionsmaterial verwendet, das Lithium an seiner Oberfläche adsorbiert und somit extrahiert. Die restliche Sole wird in den Untergrund zurückgeführt. Anschließend wird die Oberfläche wieder mit Wasser oder einer anderen geeigneten Lösung ausgewaschen, abgeführt und zu einer Lithiumchlorid-Lösung veredelt. Das Eluat kann anschließend durch Membranverfahren oder Verdampfung aufkonzentriert werden. Die A-DLE, Adsorptionsbasierte Direkte Lithiumextraktion wurde in den 1970er Jahren entwickelt und seit 1996 kommerziell genutzt.

Strategisches Projekt für „grünes“ Lithium

Seit April 2024 produziert Vulcan in seiner Lithiumextraktionsoptimierungsanlage in Landau erste Mengen an einer 40-prozentigen Lithiumchlorid-Lösung. Es wird im Industriepark Höchst in Frankfurt in Vulcans zentraler Lithiumelektrolyse-Optimierungsanlage durch Elektrolyse zu Lithiumhydroxid-Monohydrat (LHM) in Batteriequalität weiterverarbeitet. Diese Anlage ist seit November 2024 in Betrieb. Beide Anlagen dienen neben der Prozessoptimierung auch zur Produktion erster Produktmengen für Qualitätstests. Mit der folgenden kommerziellen Anlage in Höchst soll künftig jährlich rund 24.000 Tonnen Lithium produziert werden. Unter dem Critical Raw Materials Act (CRMA) der Europäischen Kommission wurde Vulcans erste Projektphase zur kombinierten Herstellung von Lithium und Erneuerbaren Energien (Lionheart) im März 2025 als „Strategisches Projekt“ eingestuft.

DLE kann auch zur Lithiumgewinnung aus Salar-Sole genutzt – als umweltfreundlichere, effizientere Alternative zur Verdunstung. Dies ist unter anderem bereits in Argentinien und China industriell etabliert. Darüber hinaus lassen sich bestimmte DLE-Varianten zur Lithiumgewinnung aus Industrie- oder Bergbauabwässern nutzen, was unter anderem in China und den USA erprobt wird.

Auch aus Meerwasser ließe sich Lithium gewinnen. Die Menge in den Ozeanen wird auf 230 Mrd. Tonnen geschätzt. Doch dieses riesige Vorkommen ist schwer zu erschließen. Die Konzentration liegt bei rund 0,17 mg/l – das ist rund 1000-mal weniger als in den Salar-Solen. Trotz intensiver Forschung, vor allem in Japan, Korea und China, erscheint die Gewinnung derzeit aktuell nicht wirtschaftlich darstellbar zu sein. Etwas positiver sieht dies in Meerwasserentsalzungsanlagen aus.

Altbatterien – eine nicht zu unterschätzende Lithiumquelle

Eine nicht zu unterschätzende Quelle für batteriefähiges Lithium sind Altbatterien (Lithium-Ionen-Batterien, LIB). Hier brummt der Entwicklungsmotor. Mit aktuellen Recyclingverfahren können bereits bis zu 70 Prozent des Lithiums zurückgewonnen werden. Doch vor dem Recycling steht der Rücklauf. In der EU gilt die Batterierichtlinie, nach der Batterien am Ende ihrer Lebensdauer wiederverwendet, wiederaufbereitet oder recycelt werden sollen. Wurden 2019 fast die Hälfte (47 Prozent) aller in der EU verkauften Gerätebatterien für das Recycling gesammelt, sollen es bis 2030 73 Prozent sein. Für leichte Batterien  wird eine Sammelquote von 61 Prozent bis 2031 angestrebt. Als Mindestmenge an zurückgewonnenem Lithium werden 6 Prozent angestrebt. Wohl kaum ein renommiertes Technik-Forschungsinstitut, das sich dieser Herausforderung nicht stellt. Auch Chemiekonzerne und spezialisierte mittlere Unternehmen arbeiten daran, Lithium-Batterien möglichst effektiv und nachhaltig zu recyceln. Nicht zuletzt machen sich zahlreiche Automobilkonzerne daran, das Batterierecycling voranzutreiben.

Ausschnitt der Elektrolyseanlage – mit Edelstahlrohren, Ventilen, Sensorik und Isolierung
In der Elektrolyseanlage im Industriepark Höchst wird aus der 40-prozentigen, durch DLE gewonnenen Lithiumchlorid-Lösung batteriefähiges Lithiumhydroxid erzeugt.
Ein Mitarbeiter mit Schutzhelm und Mercedes-Logo auf der Arbeitskleidung überprüft mit zwei Elektroden etwas an einem metallfarbenen Quader, einem Batteriepack
In der Batterie-Recyclingfabrik in Kuppenheim wird in einem der ersten Schritte der Ladezustand der Altbatteriemodule überprüft.

Einige Beispiele:

  • Karlsruher Institut für Technologie (KIT)/Helmholtz-Institut Ulm, EnBW: Entwicklung eines Recyclingverfahrens, das mechanische Prozesse (Zermahlen) und chemische Reaktionen kombiniert. Bis zu 70 Prozent Lithium-Rückgewinnung.
  • Duesenfeld GmbH, Deutschland: Kombination aus mechanischen, thermodynamischen und hydrometallurgischen Prozessen. Die lithiumhaltige Schwarze Masse wird in einer Pilotanlage des Fraunhofer IKTS weiterbehandelt. 95 Prozent des Lithiums wird daraus zurückgewonnen, mit einer Reinheit von 99,8 Prozent.
  • Mercedes Benz: erste eigene europäische Batterierecyclingfabrik eines Automobilherstellers, eröffnet 2024 im süddeutschen Kuppenheim: Integriertes mechanisch-hydrometallurgisches Verfahren. (Wir berichteten.)
  • Start-up Cylib: Recyclinganlage für E-Auto-Batterien in Dormagen entsteht zurzeit. Inbetriebnahme für 2026 geplant. Verfahrensschritte nach der Zerlegung: mechanisch, thermisch, auf Wasserbasis.
  • BASF: erste kommerzielle Batterierecycling-Anlage in Schwarzheide zur Verarbeitung von Schwarzmasse, seit Juni 2025 in Betrieb. Wie bei Cylib wird neben Lithium auch Nickel, Kobalt und Mangan chemisch zurückgewonnen.

Weitere Recyclingverfahren führt das VDI Zentrum Ressourceneffizienz auf seiner Website auf. Es informiert zudem unter anderem über Weiterentwicklungen, Chancen und Förderprogramme für kreislaufwirtschaftliche Innovationen bei Batterien und Akkumulatoren.

Typischerweise entstehen Recyclinginfrastrukturen in der Nähe von Batteriematerial- oder Batteriezellherstellern sowie zu Automobilherstellern – vor allem in Mittel- und Ostdeutschland, Ungarn, Nordfrankreich und Skandinavien. Der Trend in Europa geht zu Hub- und Spoke-Strukturen, bei denen Altbatterien dezentral gesammelt werden (Spokes, Speichen) und in zentralen Hubs verarbeitet werden. Derzeit sind hier über 30 Projekte geplant oder im Bau. Bis 2026 wird eine Gesamtkapazität von rund 330 000 t/Jahr erwartet. Für den zu erwartenden Rücklauf gebrauchter Batterien aus E-Autos ist die Recyclingbranche dann gerüstet.

Ein Chemikant mit Schutzhelm und Gesichtsschutz zieht an der Anlage gerade eine Probe mit einer Pipette
In der Mercedes-Benz Batterie-Recyclingfabrik Kuppenheim wird in einem hydrometallurgischen Verfahren aus der sogenannten schwarzen Masse die Metalle Kobalt, Mangan, Nickel und Lithium sowie das Mineral Graphit einzeln extrahiert.

Autor

Ulla Reutner
Dr. Ulla Reutner
Chemist and freelance specialised journalist